01.08.2006

Feuersuche in tausend Metern Höhe

WETTER / Bei Waldbrandgefahr wegen Hitze und Trockenheit steigen die Luftbeobachter auf Start und Landung in Illertissen - Entwarnung nach den Regenfällen: Sehr geringe Gefahr Hitze und Trockenheit der vergangenen Wochen hatten die Waldbrandgefahr steigen lassen. Ab Stufe vier der fünfstufigen Gefahrenskala schickt das Landratsamt so genannte Luftbeobachter los. Piloten vom Luftsportverein Illertissen nehmen die ehrenamtlichen Späher mit. THOMAS STEIBADLER KREIS NEU-ULM Von Illertissen die Autobahn entlang bis zum Dreieck Hittistetten, dann geradeaus weiter bis zur Donau. Über Burlafingen nach rechts, bis die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks nur einen Steinwurf entfernt scheinen. Wieder rechts und immer geradeaus nach Süden, bis die A 96 Memmingen-München auftaucht. Erneuter 90-Grad-Schwenk nach rechts bis zur A 7, dann wieder Richtung Norden. An den Türmen der Roggenburger Klosterkirche vorbei, ein Kringel über Pfaffenhofen und zurück nach Illertissen. Knapp eine Stunde dauert dieser Ausflug, der keiner ist, sondern ein Kontrollflug. Nicht nur der grüne Pfeil zum Rechtsabbiegen an roter Ampel hat die DDR überdauert. Auch das M-68-Modell. Dabei handelt es sich um eine Methode, mit der anhand von Temperatur, Luftfeuchtigkeit sowie anderen Daten und Werten die Waldbrandgefahr errechnet wird. Das besorgt der Deutsche Wetterdienst, und wenn dessen Fachleute auf Stufe 4 kommen, bedeutet das: "hohe Gefahr". Dann, und erst recht bei Stufe 5 "sehr hohe Gefahr", werden die regionalen und lokalen Katastrophenschutzbehörden aktiv. So weist die Regierung von Schwaben das Neu-Ulmer Landratsamt an, Luftbeobachter loszuschicken. Dazu stehen der Behörde vier Ehrenamtliche zur Verfügung, die meist über die Feuerwehr zum Waldbrand gekommen sind. So wie Josef Jesberger aus Straß. Den hat außer seiner Feuerwehr-Vergangenheit die Freude am Fliegen zum Luftbeobachter gemacht. Als langjähriger Hobbypilot startet Jesberger in der Regel vom Weißenhorner Segelflugplatz. Als Luftbeobachter ist er aber auf die Dienste des Luftsportvereins Illertissen angewiesen. Dort befindet sich die einzige Luftbeobachter-Stützpunkt im Landkreis Neu-Ulm. Der Regierungsbezirk Schwaben verfügt in Donauwörth, Augsburg und Kempten über drei weitere. Als einer von vier Piloten des Illertisser Vereins darf Robert Teufel einen Luftbeobachter mitnehmen. Voraussetzung dafür sind die Erfahrung von mindestens 300 Flugstunden, eine spezielle Navigationsschulung und die Zeit, um auch an einem Wochentag kurzfristig eine Maschine zum Kontrollflug klar zu machen. Dieses Mal ist es die "Stadt Illertissen", eine einmotorige Maschine des Typs DR-400/180 mit offiziell vier Sitzgelegenheiten für Erwachsene. Wenn aber Pilot Teufel und Luftbeobachter Jesberger vorne Platz nehmen und ihre Sitze zurecht rücken, bleibt für den Passagier hinten nicht mehr viel Beinfreiheit. Dafür reichen die 180 PS locker aus, um die etwa 600 Kilo schwere Maschine mit drei Insassen nach kurzem Gerüttel auf der knochenhart getrockneten Start- und Landebahn in den sonnigen Nachmittagshimmel zu ziehen. Zuvor hat sich Josef Jesberger per Funk bei "Florian Neu-Ulm", der Leitstelle der Feuerwehr, gemeldet, und den Waldbrand-Kontrollflug angemeldet. Rasch hat die kleine Maschine die Kontrollflughöhe von zunächst etwa 1600 Fuß oder 500 Metern erreicht. Mit 180 Stundenkilometern entlang der Autobahn nach Norden, dann donauaufwärts nach Osten ist alles dicht besiedelt. Zu wenig Wald für einen Waldbrand. Allenfalls eines der vielen Getreidefelder könnte wegen einer weggeworfenen Zigarettenkippe oder einer Glasscherbe mit Brennglaswirkung in Brand geraten. Aber nichts. Inzwischen auf 3500 Fuß gestiegen, geht es zwischen Legoland rechts und den Gundremminger Kühltürmen links hindurch, dann nach Süden. Jetzt wird die Landschaft aus Luftbeobachter-Sicht interessanter: Die Hänge über den Flüssen Mindel und Günz sind dicht bewaldet. "Nix los", ruft der Pilot seinem Nebenmann zu. Das bezieht sich auf den Flugplatz Tannhausen, denn die Hobby-Flieger haben immer ein Auge füreinander. Im Unterallgäu wird die Sicht ein wenig schlechter, Robert Teufel geht auf 3000 Fuß runter. Es fängt sogar an, ein wenig zu regnen, aber die wenigen Tropfen dürften kaum am Boden ankommen. Zehn Minuten später ist tatsächlich eine dünne Rauchsäule zu erspähen: der Kamin des Aluminium-Schmelzwerks Oetinger in Weißenhorn. Damit sind Luftbeobachter und Pilot durchaus zufrieden: Der beste Brand ist der, der gar nicht entsteht. Besonders sorgfältig suchen sie die ausgedehnten Waldflächen südlich und nördlich von Roggenburg ab. Dort hatten die Stürme in den 90er Jahren große Schneisen geschlagen, und die Neupflanzungen mit vergleichsweise hohem und trockenem Gras gelten als brandanfällig. Entschädigung am Boden Etwa 35 Liter Sprit verbraucht die DR-400/180 bei diesem Kontrollflug. Dafür und seinen übrigen Aufwand wird der Luftsportverein von der Regierung von Schwaben als Auftraggeber entschädigt. Eine Entschädigung immaterieller Art wartet nach dem "Kirchturmflug" auf den Luftbeobachter. Jesberger und sein Pilot nehmen vor dem Illertisser Fliegerheim unter einem Sonnenschirm am gedeckten Gartentisch Platz. Jürgen Hartmann, selbst Pilot, der an diesem Tag Bodendienst schiebt, hat Kaffee gekocht. Zeit für Fliegerlatein. Der Flug vom Freitag dürfte für einige Zeit die letzte Kontrolle über den Kreisen Neu-Ulm, Günzburg und dem Norden des Unterallgäus gewesen sein. Dank der Schauer vom Wochenende und der gestrigen Regenfälle herrscht in der Region laut M-68-Index nurmehr "sehr geringe" Waldbrandgefahr.
Mit freundlicher Genehmigung der
Südwest-Presse
Feuerwehren
zurück