26.01.2011

Au: Ekrem Yilmaz sucht Mitstreiter

Ekrem Yilmaz sucht Mitstreiter Der Auer ist eine Ausnahme bei der Feuerwehr – Erfolglose Werbeaktion unter Migranten Der Kreis feuerwehrverband Neu-Ulm hat vergeblich um Menschen mit Migrationshintergrund geworben. Seit Jahren gehört Ekrem Yilmaz zur Einsatzmannschaft in Au und hat nur gute Erfahrungen gemacht. NIKO DIRNER Kreis Neu-Ulm/Au. Ekrem Yilmaz ist mit seiner Familie aus der Türkei nach Illertissen-Au gezogen. Er spricht kein Wort Deutsch. Und von Pumpen, Rettungsschere und Alarmsignalen hat der 13-Jährige null Ahnung. Heute, 29 Jahre später, ist der Mechatroniker ein unverzichtbares Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Wohnort: bei Einsätzen, in der Wartung und Reparatur der Geräte und Fahrzeuge sowie als Ausbilder für den Nachwuchs. „Der Ekrem ist mehr als ein Kamerad“, sagt Kommandant Werner Wechselberger. „Er ist unser Mann für alle Fälle.“ Mehr von seinem Schlag könnte die Auer Wehr sehr gut gebrauchen. Was für den Illertisser Teilort gilt, ist auf den gesamten Landkreis übertragbar: Weil es für die Kommunen immer schwieriger wird, genügend Rettungskräfte zu stellen, bemüht sich der Kreis feuerwehrverband seit zwei Jahren verstärkt unter anderem um „ausländische Mitbürger“. Der Mangel entsteht, weil die Menschen beruflich weltweit unterwegs sind, weil Kinder fehlen und der Anteil der Senioren zunimmt, weil der Dienst für die Allgemeinheit geringer geschätzt wird – so das Vorwort zu Werbekampagne 2009. „Angesprochen werden sollen bewusst Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund mit dem Ziel, sie für eine Mitarbeit in den Feuerwehren zu gewinnen“, heißt es weiter in der Verbandsschrift „Für Sie im Einsatz.“ Zwei Kameraden mit türkischen Wurzeln erklärten, warum sie retten, löschen, bergen. Einer davon: Ekrem Yilmaz. Obwohl er schon damals kein Interview geben wollte – „so wichtig bin ich wirklich nicht“ – erklärte er sich jetzt noch mal zu einem Gespräch bereit. „I ka halt net noi saga“, meint er in breitestem Schwäbisch. „Ich wurde sehr gut aufgenommen, hatte nie Probleme wegen meiner Herkunft, oder weil ich kein Schweinefleisch esse“, erzählt der 42-Jährige von seinem Start bei der Wehr. Dort gelandet war er auf Empfehlung des Vermieters der elterlichen Wohnung. „Er hatte gemerkt, dass ich wegen meiner schlechten Deutschkenntnisse keinen Anschluss fand, dass es mir nach der Schule langweilig war. Zusammen mit seinem etwa gleichaltrigen Sohn schickte er mich zu einer Jugendübung.“ Der stellvertretende Kommandant habe sich seiner als Mentor angenommen und über so manches Missverständnis geholfen. „Anfangs haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt.“ Sein erster Einsatz war ein Pkw-Brand, erinnert er sich. Schon im Oktober 1983 war der junge Türke bei dem Großereignis dabei, das heute noch jedem langgedienten Feuerwehrmann im Illertal vor Augen ist: der Brand des landwirtschaftlichen Gebäudes des Bruckhofs. Mit vereinten Kräften gelang es, das Wohnhaus zu zu retten. „Ich war für den Wasseraufbau zuständig“, sagt Yilmaz. Nach vorne durfte der 16-Jährige noch nicht. Seither freilich hat der Auer so gut wie jeden Einsatz mitgemacht. Wie viele es waren, vermag er beim besten Willen nicht mehr zu sagen. Viel Zeit investiert der Familienvater, der zunächst Kfz-Schlosser gelernt hat, in die Wartung der drei Fahrzeuge der Wehr. So hat Yilmaz beispielsweise den Innenausbau des neuen Mannschaftswagen erledigt – der Auer Feuerwehrverein hatte sich nur einen handelsüblichen Kleinbus ohne spezielle Ausrüstung als Ersatz für den verunglückten Transporter leisten können. „Er hat ein großes Fachwissen. Dank ihm haben wir jede Menge Geld gespart“, sagt Wechselberger. Trotz dieses ermutigenden Beispiels blieb die Werbeaktion ohne Widerhall, räumt Kreisbrandrat Alfred Raible ein. „Es ist keine Erhöhung des Migrantenanteils bei den Feuerwehren im Kreis feststellbar.“ Hier und da gebe es einen mit ausländischen Wurzeln, in den Jugendgruppen seien es um die 15 Mädchen und Buben. Über die Veröffentlichung und eine Aktionswoche hinaus sei der Verband aber auch nicht aktiv geworden, sagt Initiator Thomas Link. Raible sagt, er wolle das Thema mit den Kommandanten erneut besprechen. „Schließlich sind sie es, die vor Ort Werbung für die Feuerwehr machen müssen.“ Und Argumente für das Ehrenamt findet der Kreisbrandrat genug: Die interessante, technische Ausbildung ist eines, die Chance auf eine gute Kameradschaft ein anderes. Auch Yilmaz berichtet begeistert von seinen zahlreichen Lehrgängen und ergänzt: „Ich habe Freunde gefunden, mit denen ich mich auch außerhalb der Feuerwehr treffe.“ Um seine Begeisterung weiterzugeben, ist Yilmaz obendrein Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr Au – mit durchschlagendem Erfolg, wie der Kommandant berichtet: Von fünf Nachwuchskräften ist die Gruppe mittlerweile auf 16 Jugendliche angewachsen. Und das Beste: „Wir haben Mitglieder aus den unterschiedlichsten Ländern. Wir sind international“, sagt Wechselberger. Auch die Tochter von Ekrem Yilmaz ist dabei. „Sie wollte mitmachen, ich war eigentlich dagegen“, sagt ihr Vater und schmunzelt. Wenn jemand bei der Feuerwehr nicht zurecht kommt, liege das an seinem Charakter, nicht an der Nationalität, meint der Deutsch-Türke. Ob der freiwillige Dienst attraktiv erscheine, komme letztlich immer auf die jeweilige Clique an: „Wenn alle mitmachen, klappt das. Ein einzelner Neuer tut sich immer schwer.“ Weitere Tipps: „Man sollte an den Schulen Werbung machen, mehrsprachige Flyer drucken, an die Kulturvereine herantreten.“ Manche seiner Landsleute wüssten nicht, was mit ihrer Zeit anzufangen und machten „Blödsinn“: „Bei den Feuerwehren würden sie was Sinnvolles tun.“
Mit freundlicher Genehmigung der
Südwest-Presse
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