25.10.2016

Musikantenwallfahrt: Autofahrer drückt aufs Gaspedal

Weil ein 87-Jähriger die Absperrung von Feuerwehrleuten nicht akzeptieren wollte, gab es großen Ärger. Und jetzt einen Prozess. Mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gegen 500 Euro Geldauflage kam ein 87-jähriger pensionierter Beamter aus dem nördlichen Landkreis noch glimpflich davon. Denn die von Staatsanwalt Semsch am Amtsgericht Neu-Ulm vorgetragene Anklage hörte sich dramatisch an: Der Mann hatte am 26. Juni dieses Jahres bei der Musikantenwallfahrt des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes in Roggenburg (wir berichteten) die Absperrung der Feuerwehr ignoriert und einen Sicherungsposten leicht angefahren. Gegen einen Strafbefehl in Höhe von 2000 Euro wegen Körperverletzung und Nötigung hatte er Einspruch erhoben, sodass es nun zur Verhandlung kam. Ein Verhalten, das der Staatsanwalt als „ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen“ einstufte, sah der Angeklagte ganz anders: Er habe kein Interesse, jemanden zu schädigen, was allein schon dadurch zum Ausdruck komme, dass er einen Fisch als Jesus-Zeichen am Auto aufgeklebt habe. Der Feuerwehrmann habe vielmehr sein „Auto angesprungen“ und „mit den Haxen auf die Stoßstange gehauen“. Nach einer lautstarken Diskussion sei es ihm zu dumm geworden und er habe gewendet und sei wieder davon gefahren. Dann habe er den Wallfahrtsgottesdienst besucht und ein Polizeibeamter habe ihm „einen Aktendeckel auf den Tisch gehauen“. Er müsse doch sehr aufpassen, denn „ab 80 wartet an allen Ecken und Enden ein Unterteufel, der dir den Führerschein wegnehmen will“. Nach den Zeugenaussagen stellte sich der Sachverhalt allerdings anders dar: Die Feuerwehrleute hatten den Auftrag, die von drei Seiten aus mit jeweils mehreren hundert Personen auf Roggenburg zu marschierenden Wallfahrergruppen abzusichern. So standen drei Feuerwehrleute auf der Kreuzung am Ortsende, um den von Meßhofen und Krumbach her kommenden Verkehr abzusichern und die Einfahrt zu sperren. Der nun Angeklagte, so die drei übereinstimmend, habe, von Meßhofen kommend, schon bei einem Vorposten die dort wartenden Autos überholt und habe nach Roggenburg einfahren wollen, was ihm verwehrt worden sei. Er habe angegeben, dass er zur Kirche wolle und durchfahren dürfe, weil ihm das der Feuerwehrmann am Vorposten gesagt habe und weil er im Ort Verwandtschaft habe. Von einer Wallfahrt habe er nichts gewusst. Der Ingstetter Kommandant berichtete dagegen, die Absperrung sei aufgrund einer Anordnung errichtet gewesen und erst Minuten nach dem Vorfall aufgehoben worden. Der Feuerwehrmann, der als erster mit dem Autofahrer in Kontakt kam, bestätigte, dass er von dem Auto an beiden Knien berührt worden sei und dass er daraufhin mit der Hand auf die Motorhaube geklatscht habe, weil er vornüber gekippt sei. Das wiederum bezeichnete der Angeklagte als „Herumtrommeln und Reinhauen“. Der Verteidiger hatte seine liebe Not, ihn vom Dazwischenreden abzuhalten. Nach der Schilderung des Einsatzablaufes durch den Kommandanten, der selbst wenige Meter entfernt auf der Verkehrsinsel beim Fahrzeug war, sahen Staatsanwalt, Verteidiger und Richter die angeklagte Körperverletzung nicht mehr als gegeben an. So blieb es bei einer versuchten Nötigung und alle drei Justizvertreter zeigten sich mit der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung von 500 Euro an die Kreisverkehrswacht einverstanden. (wis)
Mit freundlicher Genehmigung der
Neu-Ulmer Zeitung
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