21.03.2009

Kreis Neu-Ulm / Illertissen: Ausbildung Atemschutzgeräteträger(in)

Bild: NUZ
In schwerer Rüstung durch dunkle Gänge Von Jens Carsten ALFA Illertissen Auf allen Vieren kämpft sich der Mann durch das Gitterverlies. Sein Atem zischt in dicken Schläuchen, die Augen hinter der Maske wirken hellwach. Im Halbdunkel robbt er durch eine enge Röhre, ein Stück noch, eine Kurve, dann wäre der Ausgang in Sicht. Doch soweit kommt der Mann nicht, mit einem dumpfen „Klong“ verhakt sich seine große Sauerstoffflasche in der engen Öffnung. Hier geht’s erst mal nicht weiter - gefangen im Labyrinth. Ein Erlebnis, auf das mancher Feuerwehrmann wohl gerne verzichten würde. Doch wer sich im Landkreis Neu-Ulm zum Atemschutzgeräteträger ausbilden lässt, der sollte besser kein Problem mit dunklen Gängen haben. Denn die gibt es in der Übungsstrecke in Illertissen reichlich. Etwa 900 Löschkräfte robben, klettern und kämpfen sich jedes Jahr durch den Parcours. Die Ausbilder schicken nicht nur Anwärter durch das Labyrinth, auch erfahrene Geräteträger müssen mindestens einmal jährlich zum Auffrischen auf die Strecke - natürlich in voller Montur. Im Ernstfall zählt jede Sekunde. Anzug und Helm, Schutzhaube und Sauerstoff - wenn’s brennt, sollte die Ausrüstung in drei Minuten sitzen, am besten noch während der Fahrt zum Einsatzort. „Im Idealfall sollte bei einem Geräteträger zu jeder Tages- und Nachtzeit jeder Handgriff sitzen“, sagt Klaus Butterhof, der Leiter der Übungsstrecke. Damit das klappt, gibt es in Illertissen eine fünftägige Ausbildung, sie dauert 25 Stunden. Wer Atemschutzgeräteträger werden möchte, muss zuvor die beiden Ausbildungen zum Truppmann absolviert haben. Erst dann geht es auf die Teststrecke. Die Anlage ist seit 1985 in Betrieb und besteht aus mehreren Räumen. Im länglichen Eingangsbereich legen die Kursteilnehmer ihre Ausrüstung an, hier liegen zig Sauerstoffflaschen bereit. Dann geht es in einen kleinen Fitnessraum, danach ins eigentliche Labyrinth, zum Schluss in eine Kammer mit einer starken Heizung. Bei bis zu 60 Grad wird die Hitze eines Brands simuliert. Kreisbrandrat Alfred Raible kennt die Strecke wie seine Westentasche: „Mit der Maske vor dem Gesicht kann man in der Dunkelheit ruck, zuck die Orientierung verlieren.“ Bis vor zwei Jahren war der Brandrat selbst aktiver Geräteträger. Wie oft er durch die Gänge geklettert ist? „Gezählt habe ich nicht. Aber einige Dutzend Male bestimmt.“ Heute dürfen andere ran. Die Feuerwehrmänner Simon Stummer und Maximilian Keppeler, beide 21, aus Illertissen, werfen sich in Montur. Zu zweit werden sie sich durch die Gittergänge kämpfen - wie im Einsatz arbeiten die Geräteträger immer im Duo zusammen. „Der eine passt auf den anderen auf“, sagt Klaus Butterhof. Er nimmt vor einem großen Pult mit Bildschirmen, vielen Knöpfen und Mikrofon Platz. Die sogenannte Leitzentrale in einem kleinen Glaskasten neben der Strecke erinnert ein bisschen an die Brücke im Raumschiff Enterprise in der gleichnamigen Science-Fiction-Serie aus den 1960er Jahren. Blitzlichter, Jalousien und Nebelmaschine, von hier aus werden alle Schikanen der Strecke gesteuert. Es gibt sogar laute Geräusche - loderndes Gebälk, Explosionen, schreiende Kinder. „Die Geräteträger sollen in Extremsituationen die Ruhe bewahren“, erklärt Butterhof. Über Wärmekameras kann er den Weg der Feuerwehrleute durch die Dunkelheit verfolgen. „Falls etwas passiert.“ Bevor es ins Labyrinth geht, heißt es für Simon Stummer und Maximilian Keppeler zunächst: Aufwärmen im Fitnessraum. Ihre Montur haben sie bereits angelegt - mit Atemgerät, Funk und Sauerstoff immerhin fast 35 Kilo. „Fast wie moderne Ritter“, sagt Raible und lächelt. Keppeler stellt sich dem schwierigsten Gerät - der berüchtigten Endlosleiter. Ihre Sprossen fahren erbarmungslos von oben nach unten, egal wie schnell der Feuerwehrmann auch klettert. Nach einigen Minuten rasselt der Atem schwer durch die Schläuche der Maske. „Die Leiter ist anstrengend, aber da muss jeder durch“, sagt Butterhof und grinst. Dann geht es in die Dunkelheit, die rund 55 Meter lange Strecke führt durch viele Gitterboxen und mehrere Etagen. Stummer kraxelt voran, Keppeler folgt. Die beiden Routiniers kommen schnell voran, sie haben die Strecke bereits mehrfach absolviert. Weder Blitze noch Nebel noch Gewimmer vom Band kann sie aufhalten. Nur ab und an knallt eine Atemflasche gegen ein Gitter, nach kaum zwei Minuten haben sie den Ausgang erreicht. „Daumen hoch.“ Butterhof und Raible sind zufrieden. Wie war’s? „Anstrengend, aber nichts im Vergleich zum echten Einsatz“, sagt Stummer mit rotem Kopf. Er erinnert sich etwa an den Brand eines Kühlhauses in Illertissen Mitte 2007. „Da siehst du gar nichts mehr“, pflichtet ihm Keppeler bei. Für die beiden ist für heute Schluss. Doch spätestens in einem Jahr werden sie wieder durch die dunklen Gänge kriechen.
Mit freundlicher Genehmigung der
Neu-Ulmer Zeitung
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