26.09.2016

Illertissen: 50 Jahre Jugendfeuerwehr - Vorschau und Kommentar

Bild: Ralph Patscheider
Vorschau in der SÜDWESTPRESSE vom 22.09.2016: 50 Jahre Feuerwehr-Nachwuchs 50 Jahre Jugendfeuerwehr und Eröffnung der bayernweiten Feuerwehr-Aktionswoche – am Wochenende wird in Illertissen gefeiert. Es gibt viel zu sehen. Von Inge Sälzle-Ranz Am 10. März 1966 fuhr ein Fahrzeug der Feuerwehr Illertissen mit einer Gruppe 14-Jähriger zur Brücke übers „Ochsenbächle“ bei der Unteren Iller AG. An Bord war eine Gruppe 14-Jähriger, die damals neu gegründete Jugendfeuerwehr. Durchaus ein wenig aufgeregt durften sie zum ersten Mal unter Anleitung ausprobieren wie ein Löschaufbau funktioniert. Das „Ochsenbächle“ gibt es nicht mehr, eine Jugendgruppe bei der Illertisser Feuerwehr schon noch. Das wird am kommenden Freitag und Samstag gefeiert. Außerdem wird die bayernweite Feuerwehr-Aktionswoche 2016 eröffnet. Sie steht unter dem Motto: „Wenn die Katastrophe kommt, sind wir bereit!“ Zum Jahresbeginn 1966 hatte der Freistaat Bayern das Eintrittsalter zur Feuerwehr von zuvor 16 auf 14 Jahre herabgesetzt. Die Feuerwehr Illertissen nahm die neue Chance der Nachwuchsrekrutierung als erste im damaligen Landkreis Illertissen wahr. Wilhelm Schmid war von Anfang an dabei. „Grad schön“ sei die erste Übung gewesen, sagt er heute. Offensichtlich hat es ihm weiter gefallen. Denn Schmid ist den Rettern immer treu geblieben, inzwischen als Pressesprecher der Kreisbrandinspektion im Landkreis Neu-Ulm. Die Zwillinge Tobias und Niklas Strobel kamen im Mai vergangenen Jahres durch eine Werbeaktion zur Jugendfeuerwehr. Die 14-Jährigen ließen sich bei einer Vorführung von Jugendwart Martin Träger an der Mittelschule begeistern: Fettexplosion, Rauchzelt und andere spannende Aktionen gehörten dazu. Jetzt üben sie regelmäßig Löschaufbau, Seil werfen, Knoten binden, bekommen eine Sprechfunkausbildung, üben wie ein Fahrzeug ausgestattet ist, lernen Unfallverhütungsvorschriften „oder wir sind bei Übungen der Aktiven ab und zu auch mal das Opfer, das gerettet werden muss“, erzählen sie schmunzelnd. Sie sammeln auch Christbäume ein und unterstützen in der Adventszeit die Aktion „Das Allgäu packt’s“. Auf jeden Fall steht für die Mittelschüler fest: Wir machen weiter. Das heißt, sie treffen sich mit 14 anderen Jungs und Mädels jeden Mittwoch um 18.30 Uhr im Gerätehaus an der Vöhlinstraße in Illertissen und erhalten eine Ausbildung nach einem vom Landesfeuerwehrverband vorgegebenen Lehrplan. Den hat ursprünglich sogar ein Illertisser ausgearbeitet, Jürgen Hackenberg, der von 1984 bis 1986 Jugendwart war. Die Jugendlichen lernen das Feuerwehrhandwerk von der Pike auf und sind bis zum Eintritt ins Aktivenalter, mit 18 Jahren, in der Grundausbildung so weit, dass sie die Truppführer-Ausbildung machen und eine Fachausbildung anpeilen können. Die Feuerwehr braucht Nachwuchs, weiß Niklas: „Man braucht sie ja dringend.“ Inzwischen dürfen schon 12-Jährige zur Jugendfeuerwehr. Aber es soll noch weiter gehen: Demnächst ist eine Kinderfeuerwehr geplant. Spielerisch werden die Jüngsten an das Thema herangeführt und was dabei wichtig ist: Sie lernen Teamgeist, Zusammenarbeit, Geschick, Akzeptanz von Anordnungen. Mit dazu gehört aber auch die Freude am Zusammensein im Freizeitvergnügen bei Ausflügen, Zeltlagern, Gemeinschaftsaktionen. Im Lauf der Jahre absolvieren die Jugendlichen verschiedene Leistungsprüfungen, ab 16 Jahren dürfen sie – außerhalb des Gefahrenbereichs und unter Anleitung erfahrener Kollegen - an Einsätzen teilnehmen. Das funktioniere bestens, sagt Klaus Butterhof, Vorsitzender des Feuerwehrvereins Illertissen. Er bedauert nur, dass von den Anfangsgruppen immer wieder Jugendliche wegbrechen, wenn sie anfangen zu studieren, beruflich stark beansprucht sind oder heiraten. Beim Thema weibliche Mitglieder wird sein Gesichtsausdruck sorgenvoll: „Die Mädchen hören meist schlagartig auf.“ Er betont aber auch: „Wer die Grundausbildung hat, kann jederzeit zu uns zurück kommen.“ • Zusatzinfo Leistungsrallye, Fahrzeugvorstellung, Vorführungen Feier Am kommenden Freitagabend feiert die Illertisser Feuerwehr das Jubiläum ihres Nachwuchses bei einem Festakt mit geladenen Gästen. Am Samstag zeigen neun Jugendfeuerwehren aus dem Landkreis Neu-Ulm und aus der Südtiroler Partnergemeinde Prad im Rahmen einer Rallye, was sie drauf haben. Entlang des Bienenwanderwegs sind zehn Stationen aufgebaut, wo sie feuerwehrtechnische und allgemeine Aufgaben erledigen werden. Zuschauer sind willkommen. Feuerwehr-Aktionswoche Um 15 Uhr ist die Siegerehrung auf dem Schrannenplatz. Außerdem wird die Feuerwehr-Aktionswoche 2016 eröffnet, wobei auch ein Einsatzfahrzeug in Dienst gestellt wird, ein „Schlauchwagen Katastrophenschutz“. Das Fahrzeug ist bei der Feuerwehr Kellmünz stationiert. Werbeaktion Zwischen Feuerwehrhaus und Rathaus führt die Feuerwehr vor, was sie bei ihren Einsätzen braucht: Fahrzeuge, Rauchzelt, Spritze und vieles mehr können inspiziert werden. ------------------------------------------------------------------------------------------ Vorschau auf das Jubiläum in der ILLERTISSER ZEITUNG vom 23.09.2016: Feuer und Flamme seit 50 Jahren Festtage - Illertisser Jugendfeuerwehr feiert Jubiläum. Wie sie junge Leute für den Dienst an der Gemeinschaft begeistert Von Ralph Patscheider Ein Zusammentrefffen mit Illertisser Stadträten wird Martin Träger nie vergessen. Es hat in den 1980er-Jahren stattgefunden. Träger war Mitglied der Jugendfeuerwehr, der er 1982 beigetreten war. Aufgabe der Jungspunde war es, vor den Augen der Mandatsträger eine Schlauchleitung aufzubauen. Leider war eine Verbindung oder eine Dichtung nicht vorschriftsgemäß geschlossen. "Wir haben den Stadtrat geduscht", erzählt Träger schmunzelnd über eine Erinnerung, die ihm heute wohl zugutekommt. Er ist Jugendwart in der Illertisser Feuerwehr und weiß, in der Vorbereitung auf den späteren Dienst bei den Aktiven darf neben Lernbereitschaft, Einsatzwillen, Disziplin und Teamgeist der Spaß nicht zu kurz kommen. Die Jugendfeuerwehr fährt zum Beispiel ins Zeltlager nach Elbogen, der tschechischen Partnerstadt Illertissens, oder sie misst sich in Wettkämpfen mit Gleichaltrigen aus anderen Wehren. Offenbar gelingt es der Illertisser Jugendfeuerwehr, Freude am späteren ehrenamtlichen Dienst für die Gemeinschaft jungen Menschen mit der erforderlichen Portion Spaß zu vermitteln. Anders ist deren Erfolgsgeschichte nicht zu erklären. Im Jahr 1966, als jungen Menschen erstmals erlaubt wurde, schon mit 14 Jahren in die Feuerwehr einzutreten (vorher mit 16), packten die Illertisser Wehrmänner die Möglichkeit beim Schopf. Sie gründeten ihre Jugendfeuerwehr. Sie darf sich zu den ältesten in Bayern zählen. Am heutigen Freitag wird, wie berichtet, mit einem Festakt in der Schranne das 50-Jährige gefeiert. Das einzige noch in der Illertisser Feuerwehr verbliebene Mitglied, das erzählen kann, wie es sich vor 50 Jahren für einen 14-Jährigen anfühlte, bei der Jugendfeuerwehr quasi in der ersten Reihe zu stehen, ist Wilhelm Schmid. Lebendig ist seine Erinnerung. Sein Banknachbar in der Schule hatte ihn überredet, mit zur Feuerwehr zu gehen. Am 10. März fand für die beiden und weitere Mitstreiter die erste Übung statt. In den Anfängen gab es noch keinen Jugendwart. Erfahrene Aktive, Schmid nennt zum Beispiel Alfons Birnbrigl, kümmerten sich um die Jungen. "Mit ihnen sind wir zum heute trockengelegten Ochsenbach bei Uiag und Bruckhofstraße ausgerückt und haben dort gezeigt bekommen, wie eine Saugleitung aufgebaut wird. Schmid war begeistert. Er ist dabeigeblieben und hat alle Ausbildungsstationen bis zum aktiven Dienst durchlaufen. Heute fungiert der 64-Jährige als Pressesprecher der Feuerwehren im Landkreis Neu-Ulm. Zwei, die auf jeden Fall auch dabeibleiben wollen, sind Niklas und Tobias Strobel. Beide sind 14 Jahre alt und nun schon ein gutes Jahr Mitglieder der Illertisser Jugendwehr. Inzwischen gilt 12 Jahre als Mindesteintrittsalter. Martin Träger war in die Mittel- und die Realschule gekommen und hatte für die Jugendfeuerwehr geworben. Neben Informationen über Sinn und Inhalt des Feuerwehrdienstes bekamen die Schüler eine Fettexplosion vorgeführt oder konnten in einem vernebelten Zelt nachvollziehen, wie gefährlich Rauch sein kann. Das hat die Strobel-Zwillinge beeindruckt. "Wir haben zu Hause sofort gefragt, ob wir zur Jugendfeuerwehr gehen dürfen", erzählen sie. Und sie waren nicht die Einzigen. Eine Reihe von Schulkameraden verspürten den gleichen Wunsch. Jetzt treffen sich zu Schulzeiten jeden Mittwoch um 18.30 Uhr bei der Feuerwehr 15 Jugendliche, um die ersten Ausbildungsschritte zu tun. Anwesenheit wird erwartet, eine Ausnahme gibt es: wenn in der Schule wichtige Arbeiten anstehen. "Schule geht vor", sagt der Jugendwart. Auch darüber hinaus passen die Ausbilder auf, dass die Jugendlichen nicht überfordert werden. 14-Jährige dürfen noch nicht mit in den Einsatz. Erst ab einem Alter von 16 Jahren ist das möglich. Allerdings müssen sie dem unmittelbaren Gefahrenbereich fernbleiben und dürfen deshalb auch noch nicht mit dem ersten ausrückenden Fahrzeug mitfahren. Das ist eine Vorschrift, die in Illertissen noch um den Zusatz "Autobahn" ergänzt wurde. "Wir betrachten die Autobahn insgesamt als Gefahrenbereich", erklärt Träger diesen Zusatz. Mit 18 wechseln die Jugendlichen dann endgültig zu den Aktiven. Den Lehrgang zum Truppführer, für den schon etwas gebüffelt werden muss, haben sie dann erfolgreich absolviert. Weitere Ausbildungen folgen, wie etwa zum Tragen der Atemschutzgeräte. Der Lehrplan zur Ausbildung für die Feuerwehrjugend ist in ganz Bayern gleich - und er ist in Illertissen vom ehemaligen Jugendwart Jürgen Hackenberg in den 1980er-Jahren entwickelt worden. Auch die Jüngsten durchlaufen schon Ausbildungsstationen. Niklas und Tobias Strobel haben zum Beispiel die "Jugend-Flamme" schon absolviert und dürfen sich damit ein erstes Abzeichen an die Jacke stecken. Am Prüfungsinhalt lässt sich das Ausbildungsprinzip für Jugendfeuerwehren erkennen. Wichtige Aufgaben werden teils spielerisch vermittelt. Die Teilnehmer durften Leinen werfen und Knoten binden, mussten aber auch Verteilerstücke für Schlauchverbindungen erklären (damit nicht wieder ein Stadtrat geduscht wird) und sie mussten, das heben die Zwillinge hervor, die fünf W-Fragen nennen. Die sind für jedermann wichtig, der einen Notruf tätigen muss. "W" steht für wer, was, wo, wann. Und am Ende kommt noch ein ganz wichtiges "W". Tobias und Niklas wissen das: "W"arten auf Rückfragen der Rettungsleitstelle. "Das vergessen die meisten Leute", sagen die beiden. Am morgigen Samstag wird es in Illertissen einen Wettkampf der Jugendfeuerwehren geben. Die Strobel-Zwillinge und ihre Kameraden würden vielleicht gerne, können aber nicht teilnehmen. "Ich brauche sie als Helfer", sagt Martin Träger. ------------------------------------------------------------------------------------------ Kommentar in der IZ vom 24.09.2016 von IZ/NUZ-Redaktionsleiter Bernhard Junginger: Mehr als das Salz in der Suppe Von Bernhard Junginger Wer behauptet, das Ehrenamt sei in unserer Gesellschaft das Salz in der Suppe, liegt falsch. Denn wenn wir unser Gemeinwesen schon mit Essen vergleichen, dann sind die staatlichen Leistungen vielleicht das Hauptgericht, das den größten Hunger stillt. Der freiwillige Einsatz vieler Bürger für ihre Mitmenschen aber ist dann keinesfalls nur die Würze in der Brühe, sondern die Suppe selbst. Und Vorspeise, Salat, Dessert und Weinbegleitung noch dazu. In Illertissen und der Region könnte ohne Ehrenamtliche kein Sportverein, keine Musikkapelle, keine Theatergruppe bestehen. Ehrenamtliche Kräfte bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder dem Technischen Hilfswerk üben unzählige Stunden, um bei Bränden, Unfällen oder Unwettern helfen zu können. Sie sind sogar bereit, dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Für Gotteslohn opfern Mitglieder karitativer Einrichtungen große Teile ihrer Freizeit, stehen alten, kranken oder behinderten Mitbürgern bei. In den vergangenen Monaten haben sich zahlreiche Frauen und Männer in Helferkreisen organisiert, um die Not vor Krieg und Terror zu uns geflüchteter Menschen zu lindern. In Illertissen zeigt sich dieser Tage eine weitere Erfolgsgeschichte: Vor 50 Jahren gründeten engagierte Ehrenamtliche eine Jugendfeuerwehr - als eine der ersten in ganz Bayern. Bis heute schafft es die Jugendfeuerwehr, den Dienst für die Gemeinschaft spannend und mit Spaß zu vermitteln. Auch in Zeiten, in denen es für viele Vereine und Organisationen immer schwieriger wird, gerade die Jugend für das Ehrenamt zu begeistern, gelingt es den Aktiven, für Nachwuchs in den eigenen Reihen zu sorgen.
Artikel von: verschiedenen Autoren
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