18.04.2011

Neu-Ulm: Spezialisten bei Katastrophen

Neu-Ulmer ABC-Zug der Feuerwehr müsste bei einem Atomunfall ausrücken Der in Neu-Ulm stationierte ABC-Zug der Kreisfeuerwehr hat am Samstag wieder geübt – einen Einsatz bei einem Gefahrgutunfall. Aber auch bei einer atomaren Katastrophe wären die Spezialisten gefordert. EDWIN RUSCHITZKA Neu-Ulm. Gleich neben der Hauptwache in der Zeppelinstraße in Neu-Ulm stand das „Unfallfahrzeug“, aus dem ein Behälter mit Salzsäure gekippt und zerborsten war. Männer in leuchtend orangen Schutzanzüge bargen das Gefahrgut, bei dem es sich natürlich nicht um Salzsäure handelte – routiniert wie immer, um sich anschließend kontaminieren, also reinigen zu lassen. Eigentlich keine große Sache und nicht der Rede wert. Und so gibt Kreisbrandrat Alfred Raible auch unumwunden zu, dass hinter dieser Aktion ein ganz anderer Zweck der Übung steckte. „Wir wären auch im Fall eines atomaren Unglücks gefordert“, sagt Raible. Zum Glück sei es dazu in der über 50-jährigen Geschichte des Neu-Ulmer ABC-Zugs noch nicht gekommen. Die Ereignisse in Japan waren der Auslöser, dieses Thema in den Medien anzusprechen. Etwa 30 Kilometer von Neu-Ulm entfernt stehen die Reaktorblöcke des Kernkraftwerks in Gundremmingen. Seit Dezember 1966 wird dort Strom produziert. 1977 war es in Block A zu einem folgenschweren Zwischenfall gekommen: Nach Kurzschlüssen in den Hochspannungsleitungen hatte man das Kraftwerk sofort abschalten müssen. Es kam aber zu Fehlschaltungen. Radioaktives Kühlwasser verdampfte und gelangte in die Umgebung. Ein Sicherheitsgutachten ging seinerzeit von einem „Worst Case“ aus, also von einem ungünstigsten anzunehmenden Unfall. Block A ging nie wieder ans Netz, die seinerzeit bereits im Bau befindlichen Blöcke B und C gingen 1984 in Betrieb. Im Gundremminger Kernkraftwerk hat der Neu-Ulmer ABC-Zug noch nie geübt, auch nicht in der engsten Zone in einem Umkreis von fünf Kilometern. Dort sei allein die Werks feuerwehr des Kernkraftwerks zuständig, sagt Raible. Im Fall des Falles, der hoffentlich nie eintreten wird, hätte der Neu-Ulmer ABC-Zug ganz andere Aufgaben: „Die Polizei müsste die Evakuierung veranlassen, und unser ABC-Zug müsste die Bevölkerung dahingehend überprüfen, ob sie mit atomarer Strahlung kontaminiert ist.“ Verstrahlte Menschen müssten ihre Kleidung ablegen und gründlich geduscht werden. Im Anschluss daran würden sie neu eingekleidet werden, sie müssten sich strahlenärztlich begutachten und registrieren lassen. Je nach dem, wie weit die Evakuierungszone gezogen sei, würden die Menschen dann in neue Unterkünfte verteilt werden. Gleich mehrere ABC-Züge in der Umgebung des Kernkraftwerks seien für den Aufbau und den Betrieb solcher Notfallstationen zuständig. Außerdem müsste der ABC-Zug mit GPS-Sendern gesteuerte Messsonden aussetzen, die die Strahlungswerte übermitteln. Der Einsatzort würde von der Windrichtung abhängen. Das ist bislang das Szenario, von dem ausgegangen wird. Der Neu-Ulmer ABC-Zug sei bislang weder bei atomaren, noch bei biologischen Unfällen im Einsatz gewesen. Hauptaufgaben seien die Gefahrgutunfälle wie zuletzt ein Fehlalarm in der Neu-Ulmer Eislaufanlage gewesen, als fälschlicherweise Ammoniak-Austritt gemeldet worden war. Im vergangenen Sommer musste ein verunglückter Laster mit Gefahrgutfässern auf der A 7 geborgen werden. Bei all diesen Einsätzen tragen die Feuerwehrkräfte zum Teil schwere Schutzanzüge, in denen sie auch immer wieder üben müssen. Eine mitunter sehr schweißtreibende Angelegenheit. Raible: „Wer in einem Vollschutz 15 Minuten im Einsatz ist, verliert sehr viel Flüssigkeit und muss sich deshalb auch in sehr guter körperlicher Verfassung befinden“. Und das eben wird von Zeit zu Zeit geübt. Wie jetzt gerade am vergangenen Samstag.
Mit freundlicher Genehmigung der
Südwest-Presse
Feuerwehren
Gerlenhofen LZ3
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