04.09.2009
Nach dem Brand in Senden
Abschied von einem Lebensabschnitt
Nach dem Brand in Senden: 35-Jährige versucht, wieder Boden unter den Füßen
zu bekommen
Arbeitslos, das Zuhause zerstört, alle Besitztümer verloren - für die junge
Frau, deren Haus in der Sendener Zeisestraße am vergangenen Wochenende
ausbrannte, kommt es derzeit knüppeldick.
CLAUDIA SCHAEFER
Senden
Viele schöne Erinnerungen hat Tanja S. an das kleine Häuschen in der Nähe
der Sendener Pfarrkirche St. Josef, das ihr Großvater nach dem Krieg
selbst gebaut hat. Oma und Opa wohnten dort, eine Tante, die Eltern. Vor
zwei Jahren wurde das Zweifamilienhaus komplett renoviert, das Erdgeschoss
zum Vermieten hergerichtet, das Obergeschoss als Zuhause für die
35-Jährige und ihre 14-jährige Tochter ausgebaut und eingerichtet: Mit
alten Jugendstilmöbeln, viele davon Familienerbstücke, mit Büchern,
Bildern und Deko-Stücken im Afrika-Stil.
Ein Nest für Mutter und Tochter und die vierbeinigen Familienmitglieder,
drei Doggen und eine ältere Katze. Und ein Platz, um sich von der
Pechsträhne der vergangenen 18 Monate zu erholen: von beruflichen
Schwierigkeiten, der momentanen Arbeitslosigkeit, von einem schweren
Verkehrsunfall, den die junge Frau trotz eines völlig demolierten Autos
wie durch ein Wunder unverletzt überlebte.
Von dem gemütlichen Zuhause sind nur noch Trümmer geblieben: Das Feuer,
das am vergangenen Sonntag in der Küche der Obergeschosswohnung ausbrach,
hat viel zerstört. Ruß, Rauch und Löschwasser haben den Rest erledigt.
Laut Gutachter muss das Haus abgerissen werden. Tanja S. steht in den
geschwärzten Räumen ihrer Wohnung, riecht den Brandgeruch, sieht die
Verwüstung und kann es immer noch nicht fassen. "Das ist eine Ruine." Sie
wird fast alles wegwerfen müssen, auch wenn die Möbel im Schlafzimmer
unversehrt scheinen, und die Bücher hinter den Schranktüren im völlig
verrußten Wohnraum noch heil sind. "Die giftigen Gase, die bei dem Brand
entstanden sind, stecken überall drin." Ein paar Kleidungsstücke werden
sich vielleicht mit einer Spezialreinigung retten lassen.
Eine Hausratsversicherung, die ihr den Schaden bezahlt, hat die junge Frau
nicht. Das Schlimmste aber ist nicht der Verlust von Hab und Gut, sondern
der Tod der Haustiere. "Ein Kripobeamter hat gesagt, die Hunde seien doch
ersetzbar", sagt Tanja S. "Aber sie waren doch Familie. Sie sind nicht
ersetzbar." Noch immer kann sie nicht hinschauen zu den großen
Hundekörben, die in einem Haufen aus Schutt liegen.
Natürlich weiß sie, dass es ein Glück war, dass bei dem Feuer keine
Menschen zu Schaden kamen. Die Tochter, die sich sonst wohl in ihrem
Zimmer unter dem Dachspitz aufgehalten hätte, war mit ihrem Vater auf der
Rückfahrt von einer Urlaubsreise. Der Untermieter, der noch versucht
hatte, die Tiere über eine Außentreppe und die Balkontür zu retten, wurde
von Nachbarn gewarnt, kurz bevor die Fenster der Wohnung explodierten und
Flammen aus dem oberen Stockwerk schlugen. "Gott sei Dank ist ihm nichts
passiert", sagt die 35-Jährige.
Die Erinnerungen an den Brandtag sind lückenhaft: "Es ist alles so
verrückt." Mit Bekannten war die 35-Jährige auf dem Weg zu einem
Reitturnier in Illertissen, als das Handy klingelte und jemand sagte:
"Komm schnell heim, deine Küche brennt."
Bei der Ankunft in Senden dann der Schock: Die Straße war gesperrt,
Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen parkten auf der Fahrbahn,
Schaulustige standen in Trauben herum. "Ich hab mich nur durchgedrängt und
gerufen: Was ist mit meinen Hunden?"
Die Rettungskräfte fürchteten den Zusammenbruch der jungen Frau, setzten
sie in einen Rettungswagen, brachten Schwester und Eltern zu ihr. Später
wartete sie bei einer Freundin auf die Ankunft der Tochter, die noch
nichts von den schlimmen Ereignissen wusste.
Zur Ruhe ist die Sendenerin seither kaum mal gekommen. Untergekommen ist
sie unterdessen bei ihrem früheren Ehemann, ein Bekannter hat ihr eine
Wohnung in Aussicht gestellt. Sie hat mit der Kripo gesprochen, mit der
Brandversicherung. Und sie hat eine "überwältigende Hilfsbereitschaft"
erfahren von Freunden, Bekannten, sogar von Fremden. "Da sagt man immer,
dass sich heutzutage keiner mehr um den anderen kümmert. Aber das stimmt
nicht. Ich hätte nie erwartet, dass mir so viele Menschen helfen wollen."
Schritt für Schritt will sich die 35-Jährige jetzt gemeinsam mit ihrer
Tochter in die Normalität zurückkämpfen, die Erlebnisse aufarbeiten, in
der zerstörten Wohnung nach Erinnerungsstücken suchen. "Das kann und darf
mir keiner abnehmen. Ich muss mich von diesem Lebensabschnitt
verabschieden."
Einen Job will sich die Reitlehrerin mit Trainer-B-Ausbildung auch suchen,
"wieder Boden unter meine Füße bekommen". Aber selbst wenn das Haus wieder
aufgebaut wird: Sie kann "nie, nie wieder" in der Sendener Zeisestraße
wohnen.
Info
Das Paar, das im Erdgeschoss des ausgebrannten Hauses in Senden wohnte,
lebt derzeit im Hotel und wird nicht in seine Wohnung zurückkehren können.
Gesucht wird deshalb eine günstige Drei-Zimmer-Wohnung im Raum Senden.
Anbieter können sich bei der Sendener Stadtverwaltung unter Tel. (07307)
94 51 14 melden.
Mit freundlicher Genehmigung der
Südwest-Presse
Südwest-Presse
Feuerwehren
Senden